Einleitung: Warum das Erbrecht professionelle Unterstützung braucht
Das Erbrecht gehört zu den sensibelsten und zugleich kompliziertesten Rechtsgebieten in Deutschland. Es betrifft fast jeden Menschen irgendwann – sei es als Erblasser, als Erbe oder als Pflichtteilsberechtigter.
Wenn ein Mensch stirbt, stellt sich die Frage: Wer erbt was? Wie wird der Nachlass verteilt? Gibt es ein Testament? Und was passiert, wenn sich die Erben nicht einig werden? In solchen Momenten ist juristische Klarheit entscheidend. Genau hier kommt der Fachanwalt Erbrecht ins Spiel.
Er ist nicht nur juristischer Experte, sondern auch Vermittler, Ratgeber und Vertreter in oft emotional aufgeladenen Situationen. In diesem Artikel erfahren Sie alles, was Sie über den Fachanwalt für Erbrecht wissen müssen – von seinen Aufgaben und Qualifikationen bis hin zu den Kosten und Vorteilen einer rechtzeitigen Beratung.
1. Was ist ein Fachanwalt für Erbrecht?
Ein Fachanwalt für Erbrecht ist ein Rechtsanwalt, der sich auf alle Fragen rund um das Erben und Vererben spezialisiert hat.
Während jeder Anwalt grundsätzlich auch erbrechtliche Mandate übernehmen kann, weist der Fachanwalt eine nachgewiesene, vertiefte Ausbildung und umfassende Praxiserfahrung in diesem Rechtsgebiet auf.
Voraussetzungen für den Fachanwaltstitel
Um den Titel „Fachanwalt für Erbrecht“ führen zu dürfen, muss ein Anwalt bestimmte Kriterien erfüllen, die von der Bundesrechtsanwaltskammer festgelegt sind:
- Besondere theoretische Kenntnisse:
Der Anwalt muss einen Fachanwaltslehrgang absolvieren und schriftliche Prüfungen bestehen. - Umfassende Praxiserfahrung:
Er muss mindestens 80 Fälle aus dem Bereich Erbrecht bearbeitet haben – davon viele gerichtlich. - Fortbildungspflicht:
Ein Fachanwalt muss sich jährlich fortbilden, um den Titel zu behalten.
Diese hohen Anforderungen garantieren, dass Mandanten eine fachlich qualifizierte und erfahrene Beratung erhalten.
2. Typische Aufgaben eines Fachanwalts für Erbrecht
Ein Fachanwalt für Erbrecht unterstützt Mandanten in allen Phasen – von der Testamentserstellung bis zur Erbauseinandersetzung. Zu seinen wichtigsten Aufgaben gehören:
2.1 Testamentserstellung und Nachfolgeplanung
Der Fachanwalt hilft, ein rechtssicheres und individuelles Testament zu gestalten.
Er berücksichtigt familiäre Situationen, Vermögensverhältnisse und steuerliche Aspekte.
Ziel ist es, spätere Streitigkeiten zu vermeiden und den Nachlass nach den Wünschen des Erblassers zu regeln.
2.2 Erbvertrag und Schenkungen
Neben Testamenten berät der Fachanwalt auch bei Erbverträgen oder Schenkungen zu Lebzeiten, um steuerliche Vorteile zu nutzen und Vermögen gezielt zu übertragen.
2.3 Nachlassabwicklung
Nach dem Tod eines Angehörigen kümmert sich der Fachanwalt um die Abwicklung des Nachlasses:
Er beantragt Erbscheine, prüft Testamente, erstellt Nachlassverzeichnisse und unterstützt bei der Verteilung des Erbes.
2.4 Pflichtteilsrecht
Wenn ein gesetzlicher Erbe enterbt wurde, steht ihm meist ein Pflichtteil zu.
Der Fachanwalt setzt diese Ansprüche durch – oder wehrt sie im Auftrag anderer Erben ab.
2.5 Erbengemeinschaften
Häufig entsteht nach einem Todesfall eine Erbengemeinschaft, in der mehrere Erben gemeinschaftlich über das Vermögen verfügen.
Der Fachanwalt vermittelt zwischen den Parteien, regelt die Aufteilung und begleitet die Erbauseinandersetzung.
2.6 Unternehmensnachfolge
Bei Familienunternehmen spielt das Erbrecht eine entscheidende Rolle.
Der Fachanwalt hilft bei der planmäßigen Unternehmensnachfolge, um Kontinuität, Steuerersparnis und Arbeitsplätze zu sichern.
2.7 Internationale Erbfälle
Hat der Erblasser im Ausland Vermögen oder leben Erben außerhalb Deutschlands, ist der Fachanwalt Ansprechpartner für internationales Erbrecht – ein besonders komplexes Spezialgebiet.
3. Wann sollte man einen Fachanwalt für Erbrecht beauftragen?
Ein Fachanwalt wird nicht nur bei Streitfällen tätig. Schon vor Eintritt des Erbfalls kann seine Beratung entscheidend sein. Hier einige typische Situationen:
- Testament erstellen oder überprüfen lassen
Damit es rechtssicher und widerspruchsfrei ist. - Streit in der Erbengemeinschaft
Wenn sich Miterben über die Verteilung des Nachlasses uneinig sind. - Pflichtteilsforderungen
Wenn ein enterbter Angehöriger seinen Pflichtteil beansprucht. - Nachlass mit Immobilien oder Unternehmen
Besonders bei komplexen Vermögensstrukturen ist juristische Expertise nötig. - Erbschaft im Ausland
Wenn der Nachlass internationale Bezüge hat. - Anfechtung eines Testaments
Etwa bei Verdacht auf Fälschung oder unklare Formulierungen.
4. Wie läuft eine Beratung beim Fachanwalt ab?
Die Zusammenarbeit mit einem Fachanwalt für Erbrecht verläuft in mehreren Phasen:
4.1 Erstberatung
Der Mandant schildert seine Situation, zeigt relevante Dokumente (z. B. Testament, Erbschein, Grundbuchauszüge) und beschreibt seine Ziele.
4.2 Analyse der Rechtslage
Der Anwalt prüft die Sach- und Rechtslage und erläutert mögliche Wege.
Dabei werden Risiken, Kosten und Chancen transparent dargestellt.
4.3 Strategische Planung
Gemeinsam mit dem Mandanten entwickelt der Fachanwalt eine maßgeschneiderte Strategie – etwa zur Durchsetzung des Pflichtteils, zur Streitvermeidung oder zur Nachlassoptimierung.
4.4 Umsetzung
Der Fachanwalt verhandelt mit Erben, führt Schriftverkehr mit Nachlassgerichten oder Banken und vertritt Mandanten, wenn nötig, vor Gericht.
5. Vorteile eines Fachanwalts für Erbrecht
5.1 Fachwissen und Erfahrung
Ein Fachanwalt verfügt über fundiertes Wissen im gesamten Erbrecht und kennt aktuelle Urteile.
Das sichert eine kompetente, vorausschauende Beratung.
5.2 Strategische Herangehensweise
Er analysiert Situationen nicht nur juristisch, sondern auch wirtschaftlich und menschlich.
Das ist besonders wichtig, wenn familiäre Spannungen bestehen.
5.3 Konfliktvermeidung
Durch klare rechtliche Gestaltung – etwa im Testament oder Erbvertrag – lassen sich viele Konflikte vermeiden, bevor sie entstehen.
5.4 Vertretung vor Gericht
Sollte ein Streit dennoch eskalieren, ist der Fachanwalt ein erfahrener Prozessvertreter, der Ihre Interessen konsequent durchsetzt.
6. Kosten eines Fachanwalts für Erbrecht
Die Kosten richten sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) oder nach einer Honorarvereinbarung.
Typische Modelle sind:
- Erstberatung: meist 100–300 €
- Außergerichtliche Vertretung: abhängig vom Streitwert (z. B. 1.000 € – 5.000 €)
- Gerichtsverfahren: nach Gegenstandswert des Nachlasses
Beispiel:
Bei einem Nachlasswert von 200.000 € können Anwalts- und Gerichtskosten insgesamt mehrere Tausend Euro betragen.
Wichtig: Eine gute Beratung kann langfristig deutlich höhere Kosten durch Fehlentscheidungen oder Streitigkeiten verhindern.
7. Erbrechtliche Themenbereiche im Überblick
Ein Fachanwalt berät zu allen zentralen Fragen des Erbrechts:
| Themenbereich | Beschreibung |
|---|---|
| Gesetzliche Erbfolge | Regelung, wenn kein Testament existiert |
| Testament und Erbvertrag | Gestaltung, Auslegung, Anfechtung |
| Pflichtteil | Mindestanspruch enterbter Angehöriger |
| Erbschein | Nachweis der Erbenstellung |
| Nachlassverwaltung | Organisation und Abwicklung des Erbes |
| Erbauseinandersetzung | Aufteilung unter mehreren Erben |
| Erbverzicht & Ausschlagung | Verzicht auf Erbe oder Ablehnung bei Schulden |
| Schenkungen & Steuerrecht | Steueroptimierte Nachfolgegestaltung |
8. Häufige Konflikte im Erbrecht
Streitigkeiten unter Erben sind keine Seltenheit.
Ein Fachanwalt hilft, folgende Konflikte zu lösen:
- Uneinigkeit über Testamente
- Pflichtteilsstreitigkeiten
- Streit um Immobilien
- Unterschiedliche Bewertungen von Nachlassgegenständen
- Unklare Schuldenlage des Erblassers
- Ungleichbehandlung von Geschwistern oder Ehepartnern
Mit seiner Erfahrung als neutraler Vermittler kann der Fachanwalt emotionale Spannungen entschärfen und faire Lösungen herbeiführen.
9. Unternehmensnachfolge und steuerliche Aspekte
Bei Unternehmern ist das Erbrecht besonders komplex, da es nicht nur um Vermögen, sondern auch um Arbeitsplätze, Verträge und Nachfolgeplanung geht.
Der Fachanwalt entwickelt Strategien, um die Fortführung des Betriebs zu sichern und gleichzeitig steuerliche Belastungen zu minimieren.
Er arbeitet häufig mit Steuerberatern und Notaren zusammen, um die optimale Lösung zu finden – etwa durch Schenkungen zu Lebzeiten, Familienstiftungen oder Gesellschaftsverträge.
10. Internationale Erbfälle
Immer mehr Menschen leben, arbeiten oder besitzen Vermögen im Ausland.
Ein Fachanwalt für Erbrecht kennt die Regeln der EU-Erbrechtsverordnung und weiß, welches Recht in solchen Fällen gilt.
Beispiel:
Ein Deutscher stirbt mit Haus in Spanien und Kindern in der Schweiz.
Hier ist zu klären, welches Erbrecht angewendet wird, welches Gericht zuständig ist und wie die Erbschaftssteuer berechnet wird.